16.4.08/cm. Das Delikate bei der Analyse von Unfällen mit Pferden scheint mir immer wieder die Fokussierung auf materielle Gefährdungselemente wie die festen Hindernisse im CC-Geländeteil. Dabei werden Ausbildungsdefizite und psychologische Zusammenhänge oft ausgeklammert. So zeigt die Erfahrung in vielen Sportarten wie Automobilrennen, Skirennen, Motorradrennen, dass jede risikomindernde Massnahme bei einem Sport automatisch die Risikobereitschaft des Sportlers erhöht. Bei vielen die Sicherheit erhöhenden Massnahmen nimmt auch gleichzeitig die Bereitschaft ab, sich hartnäckig und fleissig die nötigen Kompetenzen zu erwerben, um das Risiko im Rahmen des Vertretbaren zu halten.
Natürlich ist es einfacher, bei jedem Sprung Absprunghilfen zu bauen, 'Füsse' und Einfänge hinzustellen, als sich über Jahre die Kompetenz zu erwerben, sein Pferd auch aus höherem Tempo in die richtige Absprungzone hinein zu reiten. Dies braucht nicht nur ein gutes Auge, sondern auch ein durchlässiges Pferd. Das Vorhandensein solcher Kompetenzen im CC-Sport wird in anderen Ländern zum Beispiel mit den Stilprüfungen getestet. Wenn es schon - auch nach Jahren ineffizienten Hin und Hers in dem nach wie vor von kurzsichtigen Regionalfritzen gegängelten Lizenzwesen - keine CC-Lizenz gibt, die vernünftiges Geländereiten abfragen könnte, wenn es nach wie vor reicht, über ein Brevet zu verfügen, um an B1-Prüfungen teilnehmen zu können (was nichts anderes heisst, als dass jemand mit einem völlig grünen Pferd eine B1 starten kann, der noch nie auch nur einen einzigen Baumstamm überwunden hat!), dann hilft es nicht viel, die Gelände-Hindernisse alle aus Karton und Plastic zu basteln. Denn dann rasen die unausgebildeten Inkompetenten einfach so schnell gegen das Plastic-Zeugs, dass sie trotzdem noch auf die Schnauze fallen. Solange es Reiter und Trainer gibt, die allen Ernstes behaupten, es komme überhaupt nicht darauf an, ob man in eine Absprungzone hineinreite, die dem Pferd das fehlerfreie Überwinden des Hindernisses ohne akrobatisches Redoublieren erlaubt, wird der Ausbildungsstand im Geländereiten kaum besser. Bei diesem blinden gegen die Sprünge scheppern passiert nur so selten etwas, weil die Spünge so klein und die Pferde so gut sind. Wenn man sich in grösseren Prüfungen der oberen Grenze des Springvermögens eines Pferdes nähert, wird das Hineinreiten im richtigen Tempo in die richtige Absprungzone immer wichtiger. Alle S-Springreiter, die ich kenne, können fast zentimetergenau voraussagen, wo sie abspringen werden - und bei 99 von 100 Sprüngen stimmts dann auch! Im Gelände reicht es, wenn man wenigstens auf einen Meter genau in die Absprungzone kommt, solange man nicht am allerobersten Limit des Leistungspotenzials des Pferdes angekommen ist.
Sicherheitsmassnahme 'bewegliche Fanions'
Ein Beispiel noch für den Zusammenhang zwischen Sicherheitsmassnahmen und frecherem Reiten: Als die Fanions noch aus stabilem Hartholz waren, empfand man es als Reiter noch als unangenehm und zu vermeiden, sie zu touchieren - genau wie die Slalomfahrer des letzten Jahrhunderts. Seit die Fanions mit Gelenken ausgerüstet sind und nachgeben, wird bei schmalen Sprüngen fast ständig touchiert. Beim Sprung über die Ecke Nr. 14 in Avenches im B3 z.B. wurde das rechte Fanion von fast allen Reitern berührt, wobei jedesmal das rote Aufsetzteil wegflog. Harmlos, aber es zeigt den behaupteten Konnex.
Reiten am Trolleybus-Rettungsseil
Man muss sich nur ein extremes, aber nicht unmögliches Beispiel ausdenken: Wie im Training der Balken-Turnerinnen könnte man die ganze Geländestrecke mit einer Oberschiene versehen, mit der der Reiter z.B. am Rückenschutz mit einem Stahlseil verbunden wäre, das ihm genügend Freiheit gäbe, sich zu bewegen, ihn im Sturzfall aber in der Schwebe hielte, sodass er weder am Boden aufschlüge noch unters Pferd kommen könnte. Können Sie sich vorstellen, wie viel hirnloser dann geritten würde? Es gäbe vielleicht weniger verletzte Reiter, dafür wahrscheinlich viel mehr verletzte Pferde.
Der langen Rede kurzer Sinn: Sicherheitsmassnahmen allein nützen meines Erachtens wenig, wenn sie nicht mit verstärkten Ausbildungsbemühungen verbunden sind, die auch kontrolliert werden. Und warum es für die als 'am gefährlichsten' verschrieene hippologische Disziplin CC keinen Leistungsausweis in Form einer bestandenen Lizenzprüfung braucht, ist noch viel weniger nachvollziehbar. Was für inkompetente Wurstler müssen da am Werk sein an der Basis, wenn sie nicht einmal das zuwege bringen. Grosse Klappe, englisch verbrämte Nachwuchsförderungskonzepte wie 'Join-the-Best', Blabla-Funktionäre - und keine vorzeigbaren Verbesserungen. Wenn es eine einzige gescheite CC-Aktivität zugunsten der Sicherheit gäbe, dann weder Talentsuche - wie wollen sie Talente suchen, wenn sie selbst keins haben - noch Coaching von Babys - wie wollen sie coachen, wenn sie selbst nicht, schlecht oder nur auf unterster Stufe reiten? - wäre das Ausarbeiten und Durchführen einer CC-Lizenz, wobei es auch da fachkompetente Berater braucht.